Montag, 13. September 2010

Vietnam

Bilder  Translate to english Genossen, wir sind gerade mal vor 10 Minuten im kommunistischen Vietnam gelandet und bereits drängen sich mir einige politisch brisante Fragen auf: Sind arbeitslose Lehrer eigentlich auch Proletarier? Fühlt man sich reicher, wenn man am Bankomaten 4 Millionen beziehen kann? Und was macht eigentlich der 7ner BMW da drüben?

Hier wird man am Zoll wenigstens nicht gefragt, OB man einer terroristischen Organisation angehört, sondern höchstens, SEIT WANN? Als waschechte Flashpacker haben wir uns sogar darum gekümmert, dass wir vom Hotel abgeholt werden. (Ja, wir haben sogar ein Hotel gebucht! Sorry Backpackergott, wir werden zur Strafe dafür 1 Mal in einem Dorm übernachten). Auf der 40 minütigen Fahrt nach Hanoi City, betätigt unser Fahrer etwa 500 mal die Hupe und das ist nun für einmal - grosses Indianerehrenwort - nicht übertrieben! Die Hupe ersetzt hier Rückspiegel, Rotlicht, Sicherheitslinie und Licht. Die ganze Verkehrssicherheit ist darauf aufgebaut und funktioniert erstaunlich gut. Wer sich motorisiert einer Kreuzung nähert, der hupt auf jeden Fall schon mal rein präventiv. Leider liegt unser Hotel an genau einer solchen Kreuzung und so werden wir Zeugen des 24h Hupkonzerts, welches sich hier tagtäglich abspielt. Wenn man in Vietnam zu Fuss die Strasse überqueren will, dann kann man das zu jeder Zeit, im grössten Verkehr, ohne jegliche Probleme tun. Man muss bloss ganz langsam gehen, alle Motorisierten weichen irgendwie aus - bloss keine hastigen Bewegungen machen und schon gar nicht rennen! Hier geht’s zum Verkehrsunterrichtsvideo. Ist ungefährlicher als russisches Roulette mit Wasserpistolen in der Sahara! Zu unserem Erstaunen ist Hanoi voller Touristen. Haben wir auf den Philippinen kaum ein Bleichgesicht gesehen und konnten uns mit den Einheimischen gut auf Englisch unterhalten, ist es hier genau umgekehrt. Sehr viele Gringos hat’s aus allen Herren Ländern aber das Englisch der Locals kommt etwa meinem Finnisch gleich. Zudem ist das hier definitiv nicht „das Land des ewigen Lächelns“. Die Jungs hier können schon mal ziemlich rüde sein und nicht alle sind „nice, nice“.

Wir möchten eine Tour buchen zur weltbekannten Halong Bay. Doch welchem Touranbieter vertrauen, wenn jeder zweite gleich heisst und im Internet nur Horrorstories kursieren? Hier sind Marken etwa so geschützt, wie Kaninchen in Australien. Wenn jemand heute eine gut laufende Touri-Agentur hat, so gibt es morgen 10 gleichnamige in der Stadt. Nach langer Suche finden wir dann doch einen Veranstalter und befinden uns Tags darauf im klimatisierten Minivan nach Halong Bay. Nach einem obligatorischen WC Stopp, bei welchem der Weg zur Toilette zufälligerweise durch einen Souvenirshop führt, erreichen wir den Hafen, wo wir auf die typisch chinesische Dschunke umsteigen sollen. Komisch - auf den Fotos, die wir gesehen haben, waren jeweils höchstens 2-3 Schiffe zu sehen. Hier liegen aber locker 450 Boote vor Anker… hmmm.

So flashy wie wir unterwegs sind, gönnen wir uns eine 3-Tagestour im Luxusschiff (120 USD/Person). Geilo, so ein Zimmer hatten wir schon länger nicht mehr. Vergessen sind die Singapur-Schweinestall-Tage! Die Armada von Touri-Booten legt ab und tuckert hinaus in die Felsenwelt der Halong Bay. Wir geniessen einen Drink an Deck und bemerken relativ schnell, dass hier mit dem Meer irgendwas nicht stimmt. Teppiche von Müll treiben auf der Oberfläche. Die Schattenseite des Tourismus? Jein. Wir sind überzeugt, dass jeder Tourist eine „Umwelt Taxe“ bezahlen würde, im Gegenzug zu sauberem Wasser. Aber ob des Drecks regen sich weder die Tourveranstalter, noch die Locals wirklich auf. So hat die Unesco die Halong Bay aufgrund des Plastikmülls wieder von ihrer Liste gestrichen. Reaktion der Vietnamesen: Sie bewerben sich für die Liste der neuen Weltwunder! Das nenne ich doch mal Kritikfähigkeit. Nichtsdestotrotz ist die   Umgebung hier einmalig und eindrücklich. Die Kalksteinfelsen erinnern ein wenig an James Bond  und so schreiben wir uns denn auch ganz mutig zum Rock Climbing ein. Also wenn schon abstürzen, dann wenigstens in 30 grädiges Wasser. Gerade für die Eiger Nordwand reicht‘s zwar noch nicht, aber Falls „Cliffhanger Teil 17“ gedreht werden sollte - die Doubles stehen bereit, Sly!

Nach drei Tagen auf’m Wasser mit lecker Essen, artig Sonnenschein und ordentlich Bier (oh Wunder, es waren Australier an Bord), geht’s zurück nach Hanoi, wo wir unsere Backpacks deponieren und mit leichtem Gepäck weiterreisen. Eine 10 stündige Zugfahrt bringt uns dann ganz in den Norden des Landes, in die Nähe der Chinesischen Grenze. In einer Stadt namens Lao Cai mieten wir uns ein Mofa und fahren bei Einbruch der Dunkelheit in die Berge. (Genau so soll man’s machen!) Da die Einheimischen wie gesagt wahre Sprachgenies sind, gestaltet sich das Finden einer Ortschaft nicht immer als ganz einfach. Wir müssen nach „Bac Ha“. Mein lieber Schwan - wir artikulieren und intonieren diese beiden Silben auf alle bloss erdenklichen Arten, halten die Karte hin oder zeigen fragend in irgendwelche Richtungen und erhalten als Antwort meistens Schweigen oder ein „Hmpfgrmbl“. Erschöpft fallen wir dann, lange Zeit später, in’s Hotelbett und brechen uns dabei fast die Knochen. So machen wir die unliebsame  Bekanntschaft mit der typisch vietnamesischen Hartschaummatratze, welche zwar von Bico-Flex produziert wurde aber anscheinend von Bruder Klaus entworfen. Anderntags besuchen wir dann den farbenprächtigen „Markt der Völker“ in Bac Ha. Hier kommen nun wirklich alle Locals aus den umliegenden Bergen in ihren traditionellen Trachten zusammen, um ihre Erzeugnisse zu verkaufen und sich mit dem Notwendigsten einzudecken. Auch wer auf Vieh- oder Brautschau ist, findet hier was Passendes - wie Rivieraparty ohne Musik! Falls sich übrigens ein Mitglied des schweizerischen Tierschutzbundes unter den Lesern dieses Blogs befinden sollte, dann rate ich Ihnen, einmal im Leben einen vietnamesischen Markt zu besuchen. Falls Sie danach in der Schweiz jemals wieder einmal die Sinnfrage stellen, werden sie erstaunt sein, was sie in ihrer neu gewonnenen Freizeit so anstellen können. Als dann um 11.00 Uhr die Pauschaltouristen kommen, cruisen wir auf unserem heissen Ofen nach Sapa. Dort oben erwartet uns ein weiterer Sonntagsmarkt, bloss haben hier die Locals den Braten gerochen. Hier stehen die Hotels dicht an dicht. Die Begrüssungsformel lautet: „Buy from me!“ Heerscharen von weiblichen Verkäuferinnen bedrängen einen, wenn man nur schon einen Schritt aus dem Hotel macht und wehe dem,
der um die Girls abzuwimmeln gesagt hat „maybe tomorrow!“. Denn die Schlitzöhrchen haben eine eingebaute Recall-Funktion und stehen dann kerzengerade da, wenn man „tomorrow“ vor’s Haus tritt! Zum Glück sind wir mit unserem Stahlross ziemlich unabhängig und können den Quasseltanten entkommen, um die fantastischen Reisterrassen zu bestaunen. Da die öffentlichen Gelder im Kommunismus nicht dafür gedacht sind Brücken zu bauen, fliessen an gewissen Stellen kleine Bäche über die Strasse. Der dabei entstehende Algenteppich bringt uns samt Mofa unsanft näher zurück zu Mutter Erde, als uns das eigentlich lieb ist. Doch echte Vietnamtouristen vergleichen abends an der Bar ihre Schürfungen! Die Betten im Schlafabteil des Nachtzugs nach Hanoi sind nicht gerade für Basketballer konzipiert, doch „size only matters when there’s not enough beer!“. So erreichen wir die Chaos City im Morgengrauen und machen uns auf die Suche nach Kaffee und Ho Chi Minh. Letzterer liegt seit seinem Tode gut konserviert im klimatisierten Mausoleum, bewacht von einer Privatarmee. Eigentlich befahl er vor seinem Hinscheiden, dass seine Asche je zur Hälfte in Nord- und Südvietnam verteilt wird… tja, war wohl nix Hoschi!
Wir haben unser Kulturgewissen nun also weitgehend beruhigt und können uns getrost dem Strandleben widmen. Dazu fliegen wir nach Hoi An, wo die fleissigen Schneiderlein warten. So lassen wir uns denn auch schon am 2. Tag vermessen, um uns Anzüge auf den Leib schneidern zu lassen. Hab ich bis anhin gemeint, meine T-Shirts wären allesamt in den Maschinen der Wäschereien eingegangen, ist es nun vielleicht doch an der Zeit, der Realität in’s Auge zu blicken. Ich hab, ganz im Sinne von Feng Shui, die Rundungen etwas ausgebaut und mein Kampfgewicht leicht angehoben. Angesichts der Spottpreise, verfällt auch Sabrina in einen leichten Kaufrausch und verwandelt sich in eine Business Lady. Weil wir ja so meeeega busy sind!
Hoi An ist ein richtig gemütliches Nest mit angenehmem Klima, toller Altstadt und einem ganz ansehnlichen Strand - wir halten’s also locker eine ganze Woche aus. Wir lassen uns von einem Kriegsveteranen durch sein Dorf führen und lernen dabei das Leben der Vietnamesen hinter den Touri-Kulissen kennen. Er führt uns sogar noch zu seinem Onkel, gegen welchen er während des „amerikanischen Krieges“ gekämpft hat. Heut sind sie wieder ein Herz und eine Seele und „Dank“ des Erziehungscamps, in welches er nach dem Krieg gesteckt wurde, ist auch er heute ein braver Kommunist. Dass hier schon längstens der Kapitalismus das Steuer übernommen hat, ist jedem bewusst, nur darf man es nicht öffentlich zugeben - sonst verliert man sein Gesicht (vielleicht wurde deshalb „Facebook“ blockiert?).

Den Abschluss unserer antiimperialistischen Tournee geniessen wir dann in Saigon. Ähm, oh sorry, politisch korrekt heisst es natürlich: Ho Chi Minh City. Mitunter spielt der Zufall ja munter mit und so treffe ich, auf der offiziell gesperrten Facebook Plattform, Stefanie Lustenberger - eine Freundin aus Adligenswil. Sie arbeitet für Ringier Vietnam (nein, einen ultralinken Blick-Ableger gibt’s auch hier nicht) und bewohnt mit ihrem schwedischen Freund Benny ein megafancynancy Appartement im Hotel Intercontinental. Und „wereliwer“ schläft nun wohl in deren Gästezimmer? Hmmmmmm. Yes! Luxus! Wer übrigens errät, für welche Firma Benny arbeitet, kriegt eine Teekerze aus dem hundertersack von Spreitenbach. Steffi ist ein prima trickytracky City Guide und nimmt uns sogar mit an’s Auslandschweizer Jassturnier beim Deutschen Beizer. Karierte Tischtücher, Fleischkäse, Schneider’s Weisse und im Hintergrund singt Hansi Hinterseer! Servus, I’bins der Hansi - ja, do legst di nida!

Wir besichtigen dann auch noch das Kriegsmuseum, welches vielleicht nicht ganz so objektiv über den amerikanischen Agressor aufklärt. Auf jeden Fall sind wir tief beeindruckt und zeitweise völlig sprachlos. Steffis Kochkünste bringen dann aber wieder Farbe in unsere Gesichter und zusammen mit Benny und einem Freund geht’s später noch in einen der angesagten Clubs namens „Apocalypse“ - Willkommen im Land der Gegensätze!

Zum Abschluss unserer Luxus Tage bei Steffi und Benny speisen wir nochmal beim Franzosen. Ich entscheide mich für ein leckeres Tartar - ist schon ‘ne Weile her, seit ich zum letzten Mal rohes Fleisch gegessen habe… Tja, Freund Markus, lass dir sagen: “Du hattest schon bessere Ideen!“, aber das gehört dann in’s nächste und somit letzte Kapitel dieses Reiseblogs. Wir machen uns nun auf nach Bangkok und von dort geht’s dann an die Strände!

Unser Rückflug ist für anfangs Oktober gebucht! Stellt schon mal das Bier kühl und ordert die Cervelats beim Höfli Metzg. Die Pöstli-Gitarre zu stimmen wär ev. auch eine Idee… 2. Oktober!

Ah ja, heut ist ja Montag und die meisten von euch sitzen im Büro. Ihr wisst ganz genau, dass jetzt etwas ganz Fieses kommt. Irgendeiner meiner kleinen, hinterlistigen Sprüche, welche euch an die Trostlosigkeit des Tages und eurer momentanen Situation erinnert. Ich gebe euch einen Tipp: Ihr könnt euch davor schützen! Drückt ganz einfach nicht auf den Link hier, weil ihr dann den Ort seht, an welchem wir gerade sitzen und uns auch die nächsten 20 Tage aufhalten werden. Also, seid schlau und klickt bloss diesen Link nicht an!

  

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