Bilder Nach der Übelfahrt mit der Fähre kommen wir als erstes an
den norwegischen Zoll. Viel haben wir über die Einfuhrbestimmungen und Preise
in Sachen „Bewusstseins-verändernde Konsumgüter“ gelesen und uns in Dänemark
ausreichend eingedeckt. Wir beschreiten den Pfad der Tugend, indem wir
unseren Alkohol deklarieren wollen. So erkläre ich dem Mann im Zoll-Häuschen
haargenau, wie viele Büchsen Bier und Flaschen Wein sich im Bauch von Terence
befinden im Wissen darum, dass wir die offiziellen Grenzen locker sprengen. Die
Mengen, die ich nenne, entlocken ihm aber nur ein Gähnen und für die paar Kronen
Steuern lupft der brave norwegische Staatsdiener noch nicht einmal seinen
Allerwertesten und winkt uns mit einem müden Lächeln durch: Welcome to
Norway! (Den Äntebüsi hätten wir also
nicht in die Ölflasche umleeren brauchen und auch den Träsch im
Mineralwasserbehälter müssen wir vor dem Zähneputzen wohl wieder umkippen.)
Nach kurzer Fahrt erreichen wir unseren ersten Campingplatz
in der Nähe von Kristiansand, wo die Einheimischen am Abend mit einem Netz
gerade die Lachse davon abhalten, flussaufwärts zu schwimmen und für Nachwuchs
zu sorgen. Ganz schöne Kaliber kommen da raus und natürlich ist die Verlockung
gross, da auch ein wenig mitzumischen, aber wir widerstehen der Versuchung an
diesem Fluss zu scheitern und fahren nordwärts in Richtung Stavanger – sind ja
bloss 180 km... Katzensprung also. Doch als der Liebe Gott die Welt erschaffen hat, war am Ende
noch eine ziemliche Schubkarre voller Berge, Flüsse, Fjorde und Seen übrig und
die hat er dann in Norwegen deponiert, die dazugehörigen Tunnel hat er wohl irgendwo
unter den Steintafeln mit den 10 Geboten verlegt. So fahren wir auf schmalen Strassen durch eine
unglaublich imposante Landschaft hoch und runter. Mal direkt am Meer entlang,
vorbei an kristallklaren Gebirgsseen und sprudelnder Wildbäche und wir
beschliessen bald, nur an jedem zehnten Gewässer kurz zu fischen, da wir sonst
Weihnachten irgendwo kurz vor Stavanger feiern müssten.
Der „Momentanverbrauch“ von Terence springt von 2l auf der
Talfahrt auf 48,5l wenn’s bergauf geht und kreuzen wir einen Lastwagen, dann
gehen wir im Geiste schon mal die Offerten für neue Rückspiegel durch. Wir übernachten auf einem wunderschönen
Campingplatz - direkt am Meer. Abends verfüttere ich einen guten Teil meiner
mitgebrachten Sammlung von Meerforellenködern an die Seegrasfelder und Felsen
vor der Klippe und Sabrina verhaftet ihren ersten Pollack (Das sind keine
osteuropäischen Einwanderer – sondern Fische!)
In der Stadt Stavanger liegt gerade ein riesiges
Kreuzfahrtschiff vor Anker und tausende Touristen überfallen die eigentlich
gemütliche Stadt. Wir kreuzen mit unseren Fahrrädern durch die verwinkelten
Gassen, vorbei an den Italienerinnen, die sich gegenseitig die norwegische
Strickpullis aus den Händen reissen und einem Demonstrationszug von Kurden,
welche aus ihrem nordischen Exil die Loslösung von der Türkei fordern. Da sich
„Öcalan“ so gut auf „Kurdistan“ reimt, macht
das vom lyrisch-poetischen Standpunkt aus ganz schön etwas her.
Und schon geht die Fahrt weiter durch dieses Wunderland und
wir steuern DAS touristische Highlight an, nämlich den „Prejkestolen“. Dabei
handelt es sich um einen Felsvorsprung, von dem es 600m senkrecht in die Tiefe
geht, herrlich gelegen über einem Fjord und da man keinen Eintritt verlangt,
haben sich die Jungs auch das Geländer gespart. Einziger Haken – man muss erst
mal da hochwandern. Die Marschzeit wird mit knapp 3h pro Richtung angegeben, wir
verlassen den Campingplatz um 16 Uhr bei Nieselregen, das sollte doch noch
locker reichen (!)
Um die Kohle für den 8 Fr. teuren Parkplatz zu sparen, schlage
ich vor, die 5 km bis zum Einstieg der Wanderung mit dem Bike in Angriff zu
nehmen. Kein Problem... wenn das nicht 5 km Bergstrecke wären! Nach zwei Kurven
flucht Frau Wolfisberg (ehem. Lützel) zum ersten Mal, nach 2 weiteren Kurven
(sie ist mittlerweile vom Drahtesel gestiegen), richtet sich die Wut gegen
ihren sparsamen Ehemann. Die Wut weicht nach 2 weiteren Kurven blankem Hass und
als sie dann beschliesst nicht mehr zu sprechen, verdammt sie innerlich den
Moment, als sie am Küssnachter Seenachtsfest 2003 morgens um 02:30 an der Bar
diesem betrunkenen Trottel nicht einfach die Telefonnummer einer
Selbsthilfegruppe anstatt der ihren angegeben hat. Wer nun glaubt, „Bergfloh Beat Breu“ der
Familie hätte bei der Zielankunft wenigstens wie gewohnt ein Schinkensandwich
bereitgestellt, irrt gewaltig und so verlaufen auch die ersten 2 km der
Wanderung so, wie Mann sich eine harmonische
Beziehung vorstellt: wortlos.
Wir amüsieren uns dann herrlich ab den Touristen, die uns auf
dem steilen, steinigen und glitschigen Bergweg entgegenkommen und wundern uns
gleichzeitig, wie die das hier hoch geschafft haben. Von überhirteten Erstkommunikanten,
über Greise, die dem letzten Hemd verdächtig nahe scheinen, bis zu Asiatinnen in
Turnschlarpen und gebirgsmässig ausgerüsteten Flachlandtirolern ist alles dabei
was man sich wünscht. Väter tragen ihre Frauen, Grossmütter stützen sich auf
Enkel und auch der obligatorische Chinese in Sandalen fehlt nicht. Komisch nur,
dass die uns alle noch blöder anschauen als wir sie, denn auf dem Weg nach oben
scheint kein Mensch zu sein... sollte uns das nachdenklich stimmen?
Wir erklimmen das Ding in 1h 26 Minuten und sind neben einer
kleinen Gruppe Spanier die einzigen, die um diese Zeit noch auf der Kanzel
stehen. Das Eichhof Lager schmeckt hier oben doppelt so gut und wir haben den
Prejkestolen ganz für uns alleine. Wenn ich bedenke, dass es für den kleinen Spielteich
auf Rigi Kaltbad wirklich einen BfU genormten Zaun braucht, während hier
tagtäglich Hundertschaften von Kindern über eine 600m Klippe blinzeln und sich
zuvorderst auf die Kante setzen, dann erhalten die Begriffe
„Verhältnismäßigkeit“, “Eigenverantwortung“ und „gesetzliche Überregulierung“ gerade
neue Definitionen.
Sodeli, nun machen wir uns auf in Richtung Bergen. Es geht
zu wie in den Erotikfilmen der 70er Jahre: "Immer munter Hoch und Runter" und
das ganze natürlich stark bewaldet. In Kyrping gibt's zum ersten Mal frischen
Fisch auf den Tisch (hammer Reim!) und zwischendurch muss Terence auch immer wieder mal auf die Fähre.
Touris hat's praktisch keine mehr und es scheint jeden Tag die Sonne. (Ich weiss
schon, die Klugscheisser sagen jetzt: Das ist im Fall immer so! Aber ich meine
damit, dass die Sonne scheint, ohne dass sie dies wie in der Schweiz hinter
Wolken tut). Über Bergen muss ich nicht viel schreiben, die Bilder
sprechen wohl für sich... das ist wirklich der Hammer und es wäre wohl ein
Paradies für Chrigi Paul – denn hier darf offensichtlich wirklich jeder sein
Haus so anmalen wie er will und wer im Schulfach „Kreativität“ gerade einen
Jokertag eingezogen hat, der nimmt einfach „rostrot und weiss“ – damit liegt
man nie falsch.
Die obligate Fjordtour führt uns dann an Bord einer Fähre
durch den beeindruckenden Sognefjord, welcher doch stattliche 1600m Tief ist.
(Wovon wir allerdings nichts merken). Schweinswale ziehen vorbei und wir
klopfen uns gegenseitig auf die Schulter: Alles richtig gemacht – Norwegen wie
im Bilderbuch!
In Jolvassbu geht es dann zum Fliegenfischen an einen
traumhaften Bach, wo der eine Teil der Familie auch die ersten Bachforellen
überlisten kann. Der andere Teil darf den Frust mit einer Flasche Eggisbühler
Blauburgunder aus Muggli Seppis Beständen bewältigen und im Wissen darum, die
modischsten Wathosen der westlichen Hemisphäre zu tragen, erbarmt sich auch der
Schutzpatron seiner Petri-Jüngerin und schenkt ihr einige Rotgetupfte.
Alles was man hier touristisch vermarkten will, wird mit der
Präambel „Troll“ bestückt. So gibt es Trollwege, Trollspielplätze und
Trollparks und in den Supermärkten natürlich die gewöhlichen Trolltreppen. Wir,
bzw. Terence, erklimmen derweil den berühmten Trollstiegen. Das ist eine
hardcore Passfahrt mit zahllosen Kurven wie am Gotthard und auf dem Pass steht
dann eine Aussichtsplattform, die ihren Namen wirklich verdient hat. (Ich denke
mal, dass die Nummer gut gesponsort ist von den zwei Tankstellen, die sich auf
beiden Bergseiten befinden – aber touristisch tiptop gemacht, kann man nicht
meckern. Trollig halt! Die Talfahrt bringt Terences’ Bremsen dann aber schon
arg ins Schwitzen und sorgt für einen gänzlich neuen Raumduft der Marke
„Airbreeze Automechanic“.
Die ganzen Fähren schlagen budgetmässig ziemlich zu Buche.
Was aber wirklich einschenkt, sind die Strassenzölle. Sobald man eine Autobahn
oder einen Tunnel befährt oder man eine
Stadtgrenze überquert, dann steht dort eine „Automatic Bombstation“. (Das ist
kein Überbleibsel aus WW2!) Dort gibt es ein Foto von Terence und eine kleine
Rechnung flattert ins Haus – in drei Wochen kommen wir auf gut 300 Franken.
Also bei der nächsten Abstimmung über die Preiserhöhung der Autobahnvignette,
werden wir wohl für einen "nurfürNorweger-Passus" plädieren.
Kurz vor Trondheim befahren wir die spektakuläre
Atlantikkstrasse, welche über kleine Brücken von Insel zu Insel führt und wir
treffen noch auf Terence’s Freund Bud. An gewissen Stellen haben die Jungs hier
sogar separate Stege für Angler angebracht – coole Sache!
Trondheim ist dann nicht gerade der Renner und eigentlich
wollten wir ja hoch zu den Lofoten... aber alter Schwede, das sind ja nochmal
1200 km und das Wetter dort oben, haben sie laut Wetterbericht der Schweiz
abgekupfert. So beschliessen wir, stattdessen einen abgelegenen Campingplatz auf
einer Halbinsel am Meer anzusteuern und Terence nach 3700 km mal eine kleine
Pause zu gönnen. Wir landen einen Volltreffer und stehen in Aglen direkt am
Wasser. Kleine Bucht, Bootsvermietung, Wandermöglichkeiten, abgelegener Süsswassersee mit Forellen drin –
Herz was willst du mehr? Wir nehmen uns vor, zum unbekannten See zu wandern, voll
ausgerüstet in Wathosen und mit Fliegenruten. (Weil man ja nicht einfach nur
sinnlos Wandern soll). „30 Minuten“, sagt der Junge an der Reception... und es
kommt, was kommen musste... Ein weiteres Kapitel in der Serie „Zielloses
Wandern durch die tiefste Pampa in Vollmontur.“ Nach zwei Stunden stehen wir
transpirierend wie der Eisbär in der Sauna irgendwo im tiefen Wald, umgeben von
Felswänden, Mücken und Pilzen, die hier aus dem Boden schiessen wie
Aldi-Filialen in Winterthurer Aussenbezirken und müssen feststellen, dass wir
uns heillos verlaufen haben. Übung abbrechen, geordneter Rückzug, weitere
Attacke auf den Folgetag verschieben, mit eingehendem Kartenstudium und
Konsultation von Eingeborenen. Es stellt sich dann heraus, dass wir genau etwa
300m vom See entfernt waren und wir erobern dieses vergessene Stück Wasser halt tags darauf – so ist das, wenn man Zeit hat.
Natürlich fahren wir dann auch auf's Meer raus um mal zu
schauen, was sich da unten so tummelt. Nach einigen windigen Tagen geht’s raus
und schnell sind die guten Stellen gefunden. Sabrina hat ein gutes Händchen,
was natürlich ein glänzendes Licht auf ihren erfahrenen Lehrer wirft. Nach
einigen schönen Dorschen, Schellfischen, Köhler und Pollacks ist sie dann aber
doch etwas erschöpft, um jedes Mal gleich einzukurbeln, wenn wieder ein
kleiner Fisch zugepackt hat. Dies führt dann unweigerlich dazu, dass der
kleine Fisch selber zum Köder wird und Madame sich plötzlich mit der
Situation konfrontiert sieht, dass da auf der anderen Seite der Leine ein Ding
hängt, das der Bezeichnung „Sportfischen“ endlich auch einen Sinn verleiht. Ich
gebe zu, das familientinterne Wettfischen habe ich nach dem 20 pfündigen
Dorsch, den die junge Frau später in die Luft stemmt, definitiv verloren und
nach einem kurzen Fotoshooting darf Herr Dorsch dann wieder abtauchen, denn die
Kapazitätsgrenzen unseres Tiefkühlfachs hätte dieser Brummer locker gesprengt.
Sodeli, das wars von drei Wochen Norwegen, nun brechen wir
auf in Richtung Osten und wollen mal sehen, was die alten Schweden für uns
bereit haben. Eines steht fest: Wir waren nicht zum letzten Mal hier! Euch wünschen wir schon jetzt eine prächtige Alpabfahrt.
(P.S. @ Buffi, falls du es geschafft haben solltest bis hierhin zu lesen: Danke für das Klugscheisser Quiz - so gewinne ich hier wenigstens noch in einer Disziplin).
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